Sabine Bengel, Die Stiftung des Werkes Unserer Lieben Frau zwischen 1880 und 1930 : Tradition und Innovation im Dienste der Erhaltung des Münsters

Im Münsterhof fand am 17. Januar der Vortrag von Sabine Bengel statt, promovierte Kunsthistorikerin der Fondation de l’Œuvre Notre-Dame, der sich mit den verschiedenen Aspekten der Arbeit des Liebfrauenwerks in der Zeit zwischen 1880 und 1930 beschäftigte und als Ergänzung zu den verschiedenen Ausstellungen mit dem gemeinsamen Titel Straßburg, Labor Europas angelegt war.

Johann_Knauth_œuvre_Notre_Dame_Strasbourg_vers_1905
Johann Knauth (mit dunkler Jacke) mit seine Frauenwerks-Mannschaft um 1905

Gewürdigt und auch kritisch hinterfragt wurden die Initiativen und Arbeitsweisen der Münsterbaumeister, angefangen mit dem allgemein geschätzten Gustave Klotz, seit 1839 bis zu seinem Tod 1880 im Amt, der nach den Bombardierungen von 1870 am Münster zahlreiche Reparaturarbeiten durchführte, und dem der neoromanische Vierungsturm zu verdanken ist.

Danach blieb die Stelle vakant, bevor sie 1889 mit August Hartel, dann 1890-94 mit Franz Schmitz besetzt wurde, umstritten wegen seiner zu stark erneuernden, zu wenig auf Erhalt ausgerichteten Eingriffe. Auf ihn folgte 1895-1903 der ungerechterweise wenig bekannte Ludwig Arntz, der im Baulichen bestmögliche Konservierung anstrebte, aber gleichzeitig sehr innovativ vorging: rationellere Aufgabenverteilung im Liebfrauenwerk, Absicherung der Interventionen durch Grabungen, theoretische Überlegungen zu den zeitgemäßen Aufgaben der Institution, Elektrifizierung des Münsters. Er ließ neue Werkstatträume einrichten und war auch Mitbegründer des Straßburger Münstervereins (1902).

Nach seinem Weggang übernahm der heute wieder geehrte Johann Knauth die Stelle, die dieser bis zu seiner Entlassung 1919 innehatte. Knauth rettete nicht nur den Nordturm, er veröffentlichte auch zahlreiche Schriften und führte systematisch präventive Konservierungsarbeiten durch, besonders die Überführung der gefährdeten Skulpturen ins Musée de l’Œuvre Notre-Dame, was auch dessen Erweiterung zur Folge hatte.

Mehrmals im diesem Zeitraum gab es Spannungen mit den jeweiligen staatlichen Instanzen, sowohl den deutschen nach 1871 (dem sog. Dombaukomitee), als auch den französischen nach 1918 (der Administration des Beaux-Arts), doch das Liebfrauenwerk bewahrte sich seine, nur vom Bürgermeister abzusegnende, finanzielle Unabhängigkeit und Entscheidungsgewalt in Fragen der Restaurierungen und Eingriffe. Erfreulicherweise wurde 1901 nach frz. Vorbild das Kaiserliche Denkmalarchiv eingerichtet, das wichtige dokumentarische Aufgaben übernahm. Die Stiftung des Werkes Unserer Lieben Frau mit seiner Münsterbauhütte war auf mehreren Ausstellungen vertreten (u.a. Chicago 1893, Leipzig 1913), wo Modelle, Pläne, aktuelle Projekte und tradiertes handwerkliches Können vorgestellt wurden. Für die Reparaturen an einigen Kirchen im Elsass stand sie mit Rat und Tat zur Verfügung (Neuwiller, Colmar, Sélestat usw). Insgesamt entwickelte sich das Liebfrauenwerk im behandelten Zeitraum hin zu einer bewusster den Traditionen verpflichteten und gleichzeitig modern wissenschaftlich arbeitenden Institution, die an Ausstrahlung gewann und ihre weitgehende Eigenständigkeit bewahrte.

Sabine Mohr

Ill. : Fondation de l\’Œuvre Notre-Dame, Strasbourg, Domaine public, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=47116114

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