Besonders hat mich der hohe Münsterturm erschüttert, als ich aus einem schattigen Baumgang hervortrat und ihn über die Dächer der Nachbarhäuser auf mich niederschauen sah. […] Wenn ich die Blätter und Zweige der Bäume betrachte, so frage ich nicht, wie sie da hinaufgekommen, und erschrecke nicht, wenn sie sich hin und her bewegen mit Rauschen ; aber wenn ich diesen wunderbaren Turm anschaue mit seinen vielen Türmlein, Säulen und Schnörkeln, die immer auseinander heraustreiben und durchsichtig sind wie das Gerippe eines blattes, dann scheint er mir wie der Traum eines tiefsinnigen Werkmeisters, vor dem er wohl selbst erschrecken würde, wenn er erwachte und ihn so fertif in den Himmel ragen sähe.
Clemens Brentano (1778-1812), Aus der Chronika eines fahrenden Schülers (1818)
Ph. : Christophe Didierjean