Jan Meißner, Untersuchungen zu historischen Steinbrüchen der Werksandsteingewinnung für das Straßburger Münster

Woher stammen die überwiegend roten Sandsteine, aus denen die historischen Bauteile des Straßburger Münsters bestehen? Mit dieser Frage, welche bisher nicht eindeutig und belastbar geklärt werde konnte, befasst sich die geowissenschaftliche Bachelorarbeit des TUM- und LMU-Studenten Jan Meißner. Am Mittwoch, dem 16. Juni 2022, stellte er diese dem Straßburger Publikum in einem etwa einstündigen Vortrag im Münsterhof vor.

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Ehemaliger Steinbruch in der Nähe der Papeterie westlich von Wasselonne (Abbau der Mühlesandsteinbänke. des Oberen Buntsandsteins), einer der mutmaßlichen Ursprungssteinbrüche des Sandsteins des Straßburger Münsters. Fotografie: Jan Meißner

Als Ideengeber für diese Arbeit wirkte ursprünglich Herr Dr. Jochen Lepper, Diplom-Geologe vom (ehemaligen) Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung in Hannover a. D., der sich schon lange anwendungsbezogen mit den geologisch-petrographischen, gesteinsphysikalischen und baugeschichtlichen Wechselbeziehungen von Sandsteinen befasst und in Vorgesprächen mit Frau Dr. Sabine Bengel, Kunsthistorikerin bei der Münsterbauhütte Straßburg, Möglichkeiten einer Zusammenarbeit sondiert hat.

Zu Beginn seines Vortrags stellte Jan Meißner zunächst die Sandsteinsorten vor, die gemäß den maßgeblichen Publikationen für die Errichtung des Münsters verwendet wurden: Das wichtigste Baugestein stellen zweifelsohne die feinkörnigen Sandsteine des Grès à meules (Werksteinzone des Voltziensandstein, Buntsandstein supérieur) dar, deren verhältnismäßig einfache Bearbeitbarkeit es den damaligen Bildhauern überhaupt erst ermöglichte, einen derart mannigfaltigen, filigranen Bau- und Figurenschmuck zu schaffen, wie wir ihn heute am Bauwerk bewundern können. Der gotische Engelspfeiler (Pillier des Anges) ist hierfür ein herausragendes Beispiel. Partienweise wurden auch die grobkörnigeren Sandsteine des Grès vosgien (Vogesensandstein französischer Abgrenzung) und der Couches intermédiaires (Zwischenschichten) – beides ebenfalls Formationen des nordostfranzösischen Buntsandstein – verwendet. Sehr untergeordnet kamen auch andere Baugesteine zum Einsatz, wie bspw. der tertiäre „Rouffacher Kalksandstein“ für das Epitaph des Kanonikers Konrad von Bussnang in der Johanneskapelle (chapelle Saint-Jean).

Anschließend beleuchtete er die Entstehung von Sandsteinen sowie die Ablagerungsbedingungen und die Stratigraphie des Buntsandstein im Elsass. Er betonte dabei, wie wichtig es in der Wissenschaft ist, veraltete Bezeichnungen, wie z. B. „Grès bigarré“, zu vermeiden, da diese oftmals nicht einheitlich verwendet werden und so zu Missverständen führen können.

Danach schilderte der Referent den aktuellen Kenntnistand der Forschung: Aus den bis heute noch nicht vollständig ausgewerteten Rechnungsbüchern der Münsterbauhütte (Fondation de l‘Œuvre Notre Dame) ist bekannt, dass für den Zeitraum 1414 bis 1700 in Steinbrüchen bei Dinsheim-sur-Bruche, Gresswiller, Brechlingen und Wasselonne Werksandsteine für das Münster gewonnen wurden. Zudem sollen auch die Brüche von Kronthal (i. e. S.) nordwestlich von Marlenheim, die bei Soultz-les-Bains sowie derjenige in der Nähe von Niederhaslach Baugestein geliefert haben. Zur genauen Lage der meisten dieser Brüche fehlten allerdings bisher die Geländebefunde.

Im Hauptteil seines Vortrags erläuterte Jan Meißner seine Vorgehensweise bei der Bearbeitung der Herkunftsfrage, die angewandten geowissenschaftlichen Analysemethoden und deren Ergebnisse: Eine extensive Literaturrecherche, die Sichtung geologischer Kartenblätter und sog. Hillshades (die aber nicht für alle betroffenen Gebiete in ausreichender Qualität zur Verfügung stehen) sowie die Arbeit im Gelände (Bearbeitung der historischen Steinbrüche mit Entnahme von Gesteinsproben) gingen den eigentlichen Analysen im Labor voraus: Zur Charakterisierung der Werksteinproben in Bezug auf ihre Petrographie (mittlere Korngröße, Sortierung, Porenraum, etc.) wurden Dünnschliffe angefertigt, die unter einem Polarisationsmikroskop untersucht wurden. Wie genau die Herstellung solcher Schliffe geschieht, wurde ausführlich berichtet. Die Mineralphasen in den Sandsteinen wurden durch Röntgendiffraktometrie und Nahinfrarotspektroskopie bestimmt, die chemischen Haupt- und Spurenelemente durch Röntgenfluoreszenzanalyse. Besonders durch letztere erhofft sich Jan Meißner im Rahmen seines derzeit laufenden Forschungsprojekts, welches in Kooperation mit der Münsterbauhütte Straßburg und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Berlin stattfindet, einen „Fingerabdruck“ für jeden der untersuchten Steinbrüche zu identifizieren und so die Frage nach der Herkunft der Sandsteine am Münster endgültig zu klären.

Am Ende seines Vortrags bedankte sich Jan Meißner sowohl bei seinem Betreuer, Herrn Dr. rer. nat. Lehrberger (Akademischer Direktor am Lehrstuhl für Ingenieurgeologie der TUM), als auch bei Herrn Dr. Jochen Lepper und Frau Dr. Sabine Bengel für deren Unterstützung.

In der abschließenden Diskussionsrunde beglückwünschte man den Referenten nicht nur zu seinen hervorragenden Französischkenntnissen, sondern auch zur Klarheit seines Vortrags. Die Fragen und Beiträge mehrerer Zuhörer erwiesen sich als Bereicherung dieses letzten Vortragsabends der Saison.

Sabine Mohr

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