Die Kaiserin Joséphine steht Pose vor dem Straßburger Münster, das im Hintergrund des Bildes zu erkennen ist. Das Bildnis ist ein Werk des Künstlers Jean Antoine Laurent (Baccarat 1763 – Épinal 1832) aus dem Jahr 1805. Es erinnert an den ersten Aufenthalt der neulich gekrönten Kaiserin im Palais Rohan, das unlängst zum Kaiserpalais umbenannt wurde nachdem die Stadt Straßburg den Palast im Jahr zuvor dem neuen Herrscher geschenkt hatte.
Der Balkon auf dem sich die Gattin Napoleons I. befindet, ist offensichtlich frei erfunden. Er ist einerseits viel zu weit vom Münster entfernt, um der Thomas-Kirche zugehörig zu sein. Andererseits ist er auch nicht weit genug, um Teil eines Anwesens vor den Toren der Stadt zu sein, wo Josephine im Übrigen nie residierte. Mit der weiten Perspektive im Hintergrund wird eigentlich die Stadt an sich gewürdigt, deren Schlüssel – zu diesem Anlass vom Goldschied Jacques Frédéric Kirstein gefertigt – am 22. Januar 1806 Napoleon feierlich überreicht wurde. Neben dem Palais Rohan, dessen gesamten oberen Stockwerk Joséphine nach ihren eigenen Bedürfnissen komplett umgestaltete, wurde der Kaiserin noch ein weiteres Gebäude der Stadt gewidmet: das von Boudhors 1804 entworfene Pavillon de l’Orangerie.
Das kleine Bildnis befand sich im Anwesen Malmaison, dem Rückzugsort von Joséphine nach ihrer Scheidung in 1810. Bemerkenswerterweise fehlt von seinem Pendant, dem Napoleon an einem Fenster meditierend, jegliche Spur. Hans Haug, damaliger Direktor der Straßburger Museen, fand das Bildnis der Joséphine in London wieder. Zunächst für das Museum der Bildenden Kunst in 1952 gekauft, wurde es anschließend im Museum für Angewandte Kunst ganz in der Nähe vom Zimmer Napoleons aufgehängt.
Louis-Napoléon Panel, Kurator im Museum für Angewandte Kunst
Übersetzung: Stéphanie Wintzerith
Bild: © Musées de Strasbourg