Am 29. März fand im Münsterhof in Strassburg eine gemeinsame Vorstellung der Tätigkeitsberichte von vier Einrichtungen bzw. Ämtern statt, die in der einen oder anderen Weise mit dem Münster zusammenhängen.
Zunächst berichteten nacheinander Chefarchitekt Pierre-Yves Caillault und der Repräsentant der DRAC, Alexandre Cojannot, über die Arbeiten an der Vierungskuppel. Um die Restaurierungsarbeiten innen und außen durchführen zu können, und gleichzeitig die liturgischen Abläufe im Münste nicht zu stören, war die Konzeption und Errichtung eines komplexen Gerüsts (durch die Firma Europe-Echafaudage) erforderlich, was etwa sechs Monate in Anspruch nahm. Innen ist es völlig freihängend und ermöglicht auch den Zugriff auf die Gewölbezwickel. Während des Aufbaus wurden große Netze gespannt, zum Auffangen von Material oder Werkzeug. Außen sind sowohl der Extrados der Kuppel als auch der neoromanische Vierungsturm von Gustave Klotz betroffen, den dieser nach den Bombardierungen von 1870 hatte errichten lassen. Über dem Turm wurde eine große Arbeitsplattform installiert, auf dem auch das Material lagert. Zur Dokumentierung des baulichen Zustands vor den Restaurierungen wurden eine fotogrammatische und eine handgezeichnete Bestandsaufnahme durch Bauarchäologen in Auftrag gegeben.
Der Münsterarchitekt Gustave Klotz hatte im 19. Jahrhundert eine Neugestaltung des Chors und der Vierung begonnen und deshalb den Verputz der Vierungskuppel entfernen lassen. Allerdings wurde nur die Gestaltung des Chorraums verwirklicht, sodass die Kuppel seit über 150 Jahren ohne Verputz, sozusagen im Ziegel-Rohbau freiliegt. Es handelt sich um ein ca. 50 cm mächtiges Gemäuer aus rot-gelben Ziegeln (nicht aus Sandstein wie alle anderen Bauteile). Nach den Beschädigungen im 2. Weltkrieg hatte man die Kuppel außen mit einer dicken Schicht, insgesamt mehr als 40 Tonnen, Zement abgedichtet. Allerdings dringen in Regenwasser gelöste Salze aus diesem Zement in das Mauerwerk ein und beschädigen seine Substanz, sodass vor einigen Jahren die Klangarkaden des Turms zum Schutz gegen Regenwasser mit falschen Klanglamellen geschlossen wurden, was wiederum einen Eingriff in das äußere Erscheinungsbild des Turms darstellt. Ziele der Renovierungsarbeiten sind im Innern die ästhetische Wiederaufwertung der Vierungszone als liturgisch zentralem Raum im Münster (über die Farbe des Verputzes wird noch beraten).
Baulich geht es um eine Entsalzung des Mauerwerks. Die Kompressen werden den jeweils vorhandenen Salzen angepasst. Man konnte durch Sondierungen in der Tat drei Zonen unterscheiden. (Die elsässische Firma BPE ist mit diesen Arbeiten beauftragt.) Außen geht es um eine Wiederherstellung der relativen Transparenz des Vierungsturms : nach Abschluss der Arbeiten wird durch die Klangarkaden das Dach der Vierungskuppel mit einer neuen Bleieindeckung zu sehen sein. Architekt Caillault betont abschließend die neuen, durch die Bauforschung gewonnenen Erkenntnisse zum Schlussstein in Form eines Okulus im Zentrum der Kuppel. Es handelt sich um einen mehrere Tonnen schweren Monolith, der nach Abschluss der Aufmauerung der Rippen und der Gewölbeteile aus Ziegelstein unter Berücksichtigung der so entstandenen Situation inklusive Ansätze der Rippen nach Maß gefertigt, nach oben transportiert und eingesetzt wurde, was eine beachtliche Leistung darstellt.
Frédéric Degenève ging zum Tätigkeitsbericht der Stiftung Œuvre Notre Dame über. Mit der Wiederaufstellung der Erwin-Statue samt Sockel wurden die langjährigen Restaurierungsarbeiten am Südportal abgeschlossen. Der 3 t schwere Sockel musst ersetzt werden. Jonathan Wagner hat ihn in den Werkstätten in Straßburg-Meinau in ca. 1700 Arbeitsstunden neu gehauen. Die Originalstatue aus dem 19. Jahrhundert dagegen wurde nach verschiedenen Ausbesserungsarbeiten wieder aufgestellt.
Die Arbeiten am Nordportal gehen weiter. Nach Aufstellung des Gerüsts, dokumentarischen und historischen Recherchen sowie kartografischer Dokumentierung des baulichen Zustands werden nun die materiellen Arbeiten ausgeführt : Teile der Balustrade werden ersetzt und dafür neu gehauen, andere Partien werden konsolidiert und ausgebessert. Die figürlichen Elemente, also die Portalstatuen, d.h. die Kopien des 19. Jahrhunderts, hat man ins Museum verbracht, wo sie mit den Originalen verglichen werden konnten. Festgestellt wurde eine sehr weitgehende Originaltreue und nur sehr geringe Abweichungen, und auch nur bei den Attributen den Heiligenfiguren. Diese Kopien werden wieder aufgestellt werden. Zusätzlich wird auch der kleine gefiederte Engel, den Sabine Bengel wieder aufgefunden und mit dem Laurentiusportal in Zusammenhang gebracht hat, wieder angebracht, da es sich nach übereinstimmender Meinung in der Tat um ein Element des Originalzustands handelt. Die große offene Frage bezüglich des Nordportals betrifft den Grund für die offensichtliche Inkongruenz zwischen den Statuen und der Dimension der für sie vorgesehenen Nischen in der Portalarchitektur. Sie sind leicht überdimensioniert und konnten nur aufgestellt werden, nachdem sowohl an der Architektur als auch an den Statuen selbst nachträgliche Änderungen durchgeführt wurden. Andererseits stellen die an der Restaurierung beteiligten Bildhauer fest, dass man in dieser spätgotischen Epoche an die Grenze des materiell machbaren ging: die dekorativen Elemente nähern sich in ihrer Feinheit der Goldschmiedekunst an.
Für die ‘fabrique de la cathédrale’ sprach Domkapitular Bernard Xibaut über die Fortschritte bei der Restaurierung der Chororgel. Diese ist, nach einer letzten Messe im Januar 2022, wärend der sie vom Organisten zum « Einschlafen » gebracht wurde, schützend verpackt, während die Orgelpfeifen in der Orgelbauerwerkstatt Mühleisen restauriert werden. Außerdem wird es mehrere Verbesserungen geben, u.a. eine « akustische 32-Fuß Pfeife » und eine Einrichtung zum automatische Wechseln der Register. An Weihnachten 2023 soll die Chororgel wieder in Betrieb genommen werden. Etwas länger als üblich gab der Vortrag einen Überblick über die laufenden Arbeiten. Vor allem aber wurde die Arbeit all derer gewürdigt, die an den verschiedenen Baustellen beteiligt sind. Spürbar war auch, dass die Redner, angesichts der Schönheit der Werke, mit denen sie es zu tun haben, sichtlich gerührt waren.
Sabine Mohr
Ab.: Ministère de la Culture / D.R.A.C. Grand Est