Der Vortrag am 20. März im Münsterhof war den Arbeiten am Münster im vergangenen Jahr (2023) gewidmet. Zu Wort kamen Vertreter der drei für das Münster verantwortlichen Institutionen (Staatliche Denkmalpflege, Bistum, Münsterbauhütte) sowie der für die Arbeiten zuständige Münsterarchitekt.
Für die Kirchenfabrik (Fabrique de la cathédrale) sprach der Domkanoniker und Sekretär der Fabrik Bernard Xibaut. Er stellte die Arbeiten und Ankäufe vor, die aus eigenen Mitteln bzw. mit Beihilfe des Münstervereins und durch eine Hinterlassenschaft finanziert wurden: Der Ankauf von Gurtpfosten für das Hauptschiff, da auf Beschluss der Präfektur Besucher aus Sicherheitsgründen nicht mehr Platz nehmen dürfen (6000 €); des Weiteren der Ankauf von auf Maß gefertigten Sitzkissen für das moderne hölzerne Chorgestühl (7000 €). Die Hauptausgaben (166.000 €) betreffen jedoch die Renovierung und Modernisierung der Chororgel durch die Orgelbauwerkstatt Mühleisen. Neue Funktionen werden das Zusammenspiel mit der großen Schwalbennest-Orgel im Langhaus wie auch das Spiel der Organisten erleichtern. Die Wiederinbetriebnahme der Orgel musste jedoch aufgeschoben werden aufgrund der Verzögerungen bei der Restaurierung der Vierungskuppel.
Der zweite Teil war den Restaurierungsarbeiten 2023 am spätgotischen Laurentiusportal am nördlichen Querschiffarm gewidmet. Diese wurden gemeinsam von dem Münsterarchitekten Pierre-Yves Caillault und dem Werkstattleiter der Münsterbauhütte (Fondation de l’Œuvre Notre-Dame) Frédéric Degenève vorgestellt. Von staatlicher Seite beauftragte spezialisierte Firmen übernehmen hier die Arbeiten der Dachbedeckung und an den Glasfenstern sowie die Arbeiten an den Holztüren und an Metallteilen. Dabei kommen den Arbeiten an der Dachabdeckung besondere Bedeutung zu: der das Portal bekrönende, große steinerne Baldachin ist das spektakulärste Architekturelement, dessen Abdichtung am Aufwendigsten herzustellen ist. Seitens der Münsterbauhütte werden alle Arbeiten am Sandstein vorgenommen. Unter Anderem werden die beiden Wasserspeier wieder ihrer ursprünglichen Funktion zugeführt. Zusätzlich werden aber an den beiden Fassadenseiten weitere Wasserabläufe eingebaut. Erläutert wurden die zahlreichen Bildhauer-, Steinmetz-, Maurer- und Restaurierungsarbeiten des vergangenen Jahres. Ein großer Teil davon betraf das die Fassadenwand bekrönende Maßwerk-Geländer.
Ein 2022 angekaufter 3D-Scanner kommt mittlerweile zur genauen Aufnahme (Messung) der zu ersetzenden Elemente zum Einsatz. Zur Reinigung der Steinoberflächen wurden Tests mit flüssig aufgebrachtem Latex durchgeführt sowie mit dem Laser. Hauptsächlich wurden dazu jedoch Microstrahlverfahren eingesetzt. Von den 10 Gewändestatuen wurden 9 in der Konservierungswerkstatt der Münsterbauhütte behandelt. Nur die großfigurige Marienfigur wird am Portal selbst instandgesetzt werden. Unterstrichen wurde die kollektive Herangehensweise bei diesen Arbeiten, angefangen von der Auswahl der zu verwendenden Steinblöcke, sowie die Bedeutung der regelmäßig stattfindenden Baustellen-Besprechungen vor Ort, bei denen die anstehenden Maßnahmen zusammen mit dem Münsterkonservator Alexandre Cojannot und dem Architekten Pierre-Yves Caillault besprochen werden.
Schließlich wurde noch an das wichtige Jahrestreffen der Vereinigung der europäischen Münster-, Dombaumeister und Hüttenmeister erinnert, das vom 26.bis 30. September 2023 in Straßburg stattfand. An der von der Fondation de l’Œuvre Notre-Dame organisierten Tagung nahmen 130 Fachleute aus ganz Europa teil. Der Straßburger Münsterarchitekt betonte in diesem Zusammenhang die Rolle des Staates für den Denkmalschutz der Kathedralen als französische Besonderheit: Da die Kathedralen in Frankreich in staatlichem Besitz sind, folgt daraus eine finanzielle Verpflichtung. Das Kultusministerium hat die oberste Bauaufsicht.
In einem dritten Teil, vorgetragen von dem für das Münster zuständigen Konservator der Denkmalpflege, Alexandre Cojannot, und dem Münsterarchitekten ging es um die Restaurierungsarbeiten an der spätromanischen Vierungskuppel. Diese hat seit dem 12. Jahrhundert mehrere Brände und auch einen Bombeneinschlag im 2. Weltkrieg überstanden. Es handelt sich dabei um eine sehr solide aufgemauerte Backsteinstruktur mit steinernen Rippen. Der Denkmalpfleger erläuterte die wechselvolle Geschichte des Vierungsturms. Dabei ging er auch auf die Probleme ein, die die heutigen Restaurierungsarbeiten verschulden. Durch die großen offenen Arkaden des von Gustave Klotz im späten 19. Jh. errichteten Vierungsturmes ist die Kuppel stark den Witterungseinflüssen ausgesetzt. Die in der die Kuppel bedeckenden Zementschicht erhaltenen Salze wirken sich nachteilig auf die Ziegelkuppel aus. Zunächst erfolgte eine bauarchäologische Bestandsaufnahme. Dabei wurde die seit dem 19. Jh. unverputzte Innenseite der Kuppel aber auch die Außenseite (deren Zementputz im unteren Bereich bereits vor Jahren abgenommen worden war) durch detaillierten Handzeichnungen und fotogrammetrische Aufnahmen detailliert dokumentiert. Dabei herausgekommen ist ein eindrucksvolles 3D-Modell der Kuppel. Besonders interessant ist auch der gewaltige monolithe Schlussstein, der erst angefertigt wurde, nachdem die Kuppel schon weitgehend aufgemauert war. Im Bereich der vier Kuppeltromben fand man Reste der ursprünglichen Bemalung. Es handelt sich um einen sandsteinimitierenden Rosa-Ton mit Trompe-l’oeil-Bemalung, die weiße Fugen vortäuscht. Die acht Steinrippen der Kuppel wurden zusätzlich mit Latex gereinigt. Für die Bereiche aus Ziegelstein gab es eine längere Testphase für die Suche nach den effizientesten Kompressen, um dem Mauerwerk die eingedrungenen Salze zu entziehen. Die Neuverputzung der Kuppelinnenseite ist im Gange. Dazu wird ein traditioneller Kalkverputz verwendet, der in einem Zug aufgetragen werden muss, was für den Handwerker eine Herausforderung darstellt. Die neue Abdeckung der Kuppel-Außenseite aus Blei liegt nicht direkt auf dem Gewölbe auf, sondern bewahrt einen Abstand von circa 10 cm, um eine regelmäßige Belüftung zu gewährleisten umso neuen Schäden durch Feuchtigkeit vorzubeugen. In der die Kuppel umlaufenden Zwerggalerie wurden neue Fenster eingesetzt, um auch hier das Eindringen von Feuchtigkeit zu reduzieren.
Sabine Mohr und Sabine Bengel