Krypten faszinieren seit jeher und vor allem die etwa zwanzig Mitglieder unseres Vereines, die die Krypta des Münsters in Begleitung von Sabine Bengel, Kunsthistorikerin bei der Stiftung Œuvre-Notre Dame, am Dienstag, den 14. Mai um 17 Uhr betreten und entdecken konnten.
Was ist der Grund für diese Faszination? Das griechische Etymon des Begriffs, kruptè, verweist auf etwas, das verborgen, vergraben ist. Wir erwarten also eine spannende Entdeckung. Dies gilt umso mehr, als die Münster-Krypta, die für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, nur über lange Treppen erreichbar ist – so als ob man sich auf dem Weg zu der Entdeckung eines Geheimnisses befände, das nur wenigen Auserwählten vorbehalten ist. Der Münsterbaumeister Ludwig Arntz (1897-1903) hatte unter dem Fußboden der Krypta in etwa 50 cm Tiefe einen alten römischen Betonboden entdeckt, der wahrscheinlich von der alten Krypta aus dem 11. Jahrhundert stammt.
Noch besser: Unter einer Bodenplatte verbirgt sich eine steinerne Treppe, die zu einem tunnelartigen Gang führt, der im 17. Jahrhundert unter dem Architekten Heckler gegraben wurde. Hier haben sich im Erdreich noch Spuren der alten Gründungspfähle der Fundamente des Münsters erhalten. An der Westwand der Krypta bewundert man die riesige moderne Tür aus Aluminiumguss mit einer Darstellung der Auferstehung. Dahinter ruhen die verstorbenen Bischöfe von Straßburg, und warten in Sarkophagen, die auf Schäften stehen, auf den Jüngsten Tag.
Ebenfalls unsichtbar sind die mittelalterlichen Wendeltreppen, die sich hinter zwei vermauerten Nischen der Ostseite der Krypta befinden. Sie dienten zum Zugang in den darüber liegenden Chor. Die halbrunden Nischen daneben erinnern, ebenso wie die alternierenden Steinfarben der Gewölbebögen an die riesige Krypta und den Chor des Speyerer Doms.
Was den Raumeindruck betrifft, so ist dieser bemerkenswert: das Licht spielt hier mit voller Kraft und erzeugt Schatteneffekte. Es hebt Friese und Kapitelle hervor, die mit menschlichen oder pflanzlichen Motiven verziert sind. Und so auch das große Glasfenster hinter dem Altar: Es wurde 1855 eingebaut und besteht aus Pflanzenmotiven (aus dem 19. Jahrhundert), zeigt aber in seiner Mitte einen prächtigen mittelalterlichen Engel aus der Zeit um 1200. Dieser fasziniert durch seine byzantinisch anmutende Ausgestaltung. Daher ist es verständlich, dass hier viele Hochzeiten mit großem Prunk abgehalten werden.
Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Dass diese Krypta trotz der Wirren der Geschichte in gutem Zustand erhalten ist, grenzt an ein Wunder, und das zu unserem größten Vergnügen. Sabine Bengel ist eine sehr lebendige und überzeugende Kommentatorin, der wir für ihre Erläuterungen herzlich danken.
Francis Klakocer und Sabine Bengel
Abb.: Roland Moeglin. Mehr Foto.