Die „Amis de la Cathédrale“ haben Giverny gesehen

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Während ihrer sechstägigen Tour in der Normandie haben die „Amis de la Cathédrale“ Wunderwerke gesehen. Die Tapisserie de Bayeux, das Schloß Gaillard aux Andelys, die Benediktiner Abtei in Fécamp haben sie genauso beeindruckt wie die religiösen Denkmäler. Aber das nec plus ultra war Giverny.

Schwerpunkt sind hier einerseits das Musée des Impressionismes und anderseits die Gärten von Claude Monet.

Wieso die Bezeichnung „Musée des Impressionismes“? Der Impressionismus, so wissen wir, kennt zwei Richtungen (Manet und Pissaro unterscheiden sich sehr stark voneinander), aber diese Kunstbewegung lebt und beeindruckt uns weiterhin. Und so haben uns auch die Kunstwerke des japanischen Malers Hiramatsu Reiji fasziniert. Stark inspiriert von den berühmten Seerosen des Meisters, hat er sie in verschiedenen Versionen ausgeführt und in Form länglicher spanischer Wände ausgestellt. Man denkt sofort an die „Nymphéas“ im Pariser Musée de l’Orangerie. Das Schimmern der Farben, die Lebendigkeit der Motive, das Ineinandergehen von Himmel und Erde, Wasser und Blumen, dazwischen hin und wieder trockenes Grün und herumflatternde Scmetterlinge. Nichts als Ruhe und Schönheit, Überfluss und reine Wonne. Ein Zauber für die Augen, ein Entzücken, es grenzt an Ekstase. Giverny muss man gesehen haben!

Doch vergessen wir darüber nicht das Haus und die Gärten von Monet. Die Touristen wissen sehr wohl, warum sie in Scharen hierherkommen. Das Haus ist in seinem alten Zustand erhalten geblieben und enthüllt uns die Welt, in der sich der Künstler, seine Familie, aber auch deren Gäste bewegten, u.a. Clemenceau. Im Erdgeschoß und im ersten Stock reihen sich die Zimmer endlos aneinander, die Wände hängen voll mit Bildern, Zeichnungen und Skizzen. Seine Werke natürlich, doch auch mehrere seiner Freunde, unter ihnen Renoir. Giverny muss man gesehen haben!

Verlässt man die Küche, entfaltet sich vor unserem Auge das wahre Paradies auf Erden. Blumen so weit das Auge reicht, Blumen überall. Eine Sinfonie der Farben, die knallrot, goldgelb und zartblau in Blumenbeeten und Rabatten aufleuchten, welche eine Unzahl langer gerader Alleen durchkreuzt. Ein Gewirr, in dem man sich verirrt und das man doch nicht verlassen will. Ein Rausch von Farben und Düften, jeder Raum ist besetzt, zu jeder Jahreszeit, selbst im Winter. Die Gärtner haben ein so gutes Händchen, dass Blumen selbst unter dem Winterreif emporschießen und blühen. Vor dieser ganzen Pracht denkt man an La Fontaine, der davon träumt, weit weg von Lärm und Menge Schatten und Frische zu genießen. Giverny muss man gesehen haben!

Und das ist nicht alles. Über einen kleinen unterirdischen Gang kommt man auf die andere Straßenseite, wo Monet ein Grundstück gekauft hat, um darauf einen zweiten Garten einzurichten. An einem mit Bambusbäumen gesäumten Fluss, dessen Ufer farbenfreudige Blumenbeete verzieren, hat er einen Teich mit Seerosen eingerichtet, die in weißen oder rosa Flecken verstreut auf dem Wasser liegen, welches sich auf ein Spiel mit der Sonne einlässt und dessen Strahlen widerspiegelt. Trotz der großen Besucherzahl bewundert man auch die japanische Brücke, ein Motiv, das der Meister so sehr mochte, dass er mehrere seiner Bilder damit geschmückt hat. Bei einem Umweg und im Schutz der Bäume denkt man an Corot und an dessen Melancholie ausstrahlendes Bild Souvenir de Mortefontaine. Giverny muss man gesehen haben!

Die „Amis de la Cathédrale“ haben dieses Glück gehabt. Sie haben Giverny gesehen.

Francis Klakocer
Übersetzung: Barbara Bullwinkel
Foto: Francis Klakocer, Roland Moeglin

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