Unter den Sehenswürdigkeiten, die die Kathedrale von Bayeux zu bieten hat, ist die Bibliothek des Domkapitels besonders hervorzuheben. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts eingerichtet ist sie heute auf zwei Ebenen verteilt. Sie ist nur von außerhalb der Kathedrale zu erreichen.
Im Erdgeschoss, einem durch vierzehn Sprossenfenster gut belüfteten Raum, war einst das Skriptorium untergebracht. Allerdings sind hier nur wenige Bücher geschrieben worden, da die Domherren es vorzogen, ihre Bestellungen in Paris aufzugeben. An die Funktion des Raumes erinnern die Pulte, auf denen Informationsblätter mit Erklärungen zur Arbeit der Mönche ausliegen.
Noch interessanter ist der zweite, im oberen Stockwerk untergebrachte Teil der Bibliothek. Derzeit befinden sich dort über 5000 Bücher. Früher waren es noch viel mehr, doch die Revolution hat auch hier gewütet. Ein Kanoniker hatte zwar versucht, die Bücher, die ihm am meisten am Herzen lagen, zu verstecken. Er musste sie aber unter dem Druck der Behörden nach und nach zurückgeben. Ein Teil dieser „geretteten“ Werke befindet sich heutzutage im Archiv des Departements, ein weiterer Teil im Rathaus. Zurzeit werde darüber verhandelt, zumindest einige dieser Werke in die Bibliothek des Domkapitels zurückzubekommen.
In diesem oberen Raum liegen einige Bücher zum Durchblättern auf den Tischen aus. Andere Werke stehen hochkant in Bücherregalen, gut vor Dieben hinter vergitterten, mit einem Schloss mit doppeltem Codeknöpfen (Abb.) versehenen Fenstern geschützt, die selbst die übertrieben begeisterten Antiquariats- und Bücherliebhaber abschrecken dürften.
Lange Zeit glaubte man, dass die Phylakterien an den Wänden mit ihren lateinischen Inschriften von einer Ordnung nach Genres wie Medizin, Recht, Erzählungen usw. zeugten. Eine sorgfältige Überprüfung hat diese Hypothese, die auch von Wikipedia noch unterstützt wird, jedoch verworfen. Bis heute weiß man nicht sicher, wie die Werke einst geordnet waren.
Diejenigen Werke, die man aufschlagen kann, sind beeindruckend, sowohl durch die Wirkung ihrer ganzseitigen Zeichnungen als auch durch ihre Buchmalereien oder Exlibris. Andere, von geometrischen Formen geziert, zeichnen sich durch eine nüchterne Strenge aus. Andere wiederum fallen mit ihrem aus Holz geschnitzten Buchdeckel (Abb.) auf, der unwiderstehlich zum Berühren verleitet…
Kurzum, ein wunderbarer Schatz, der uns ausnahmsweise von den Freunden der Kathedrale von Bayeux während unserer Reise in die Normandie zugänglich gemacht wurde. Ihnen gebührt an dieser Stelle ein ganz herzlicher Dank.
Francis Klakocer
Übersetzung: Stéphanie Wintzerith