In der Ausstellung, die derzeit in den Archives de la Ville et de l’Eurométropole de Strasbourg stattfindet, werden Druck und Druckerei in ihren verschiedenen Facetten dargestellt und untersucht. Es geht um Kunst und industrielles Verfahren und es geht auch darum, wie Erfindung und Weiterentwicklung des Druckverfahrens zu grundlegenden Veränderungen in der Gesellschaft sowohl auf kultureller, als auch auf sozialer und politischer Ebene geführt haben. Die Ausstellung gliedert sich in drei Teile: die Druckverfahren, die Anwendungsgebiete und die Produktionsverfahren.
Straßburg befand sich mehrmals in seiner Geschichte im Zentrum von Ereignissen, die für die Geschichte von Schrift und schriftlichem Erbe von großer Bedeutung waren. So im Jahr 842 mit den Straßburger Eiden, den ältesten, zugleich in altfranzösischer und altdeutscher Sprache verfassten und aufbewahrten Texten. Dann als Gutenberg im 15. J. nach Straßburg gekommen war und hier begonnen hatte, seine Erfindung umzusetzen. Schließlich als 1870 der Brand der Dominikanerkirche (Vorgänger des heutigen Temple Neuf) zum Verlust von einzigartigen Kollektionen des Weltkulturerbes geführt hatte. Und doch hat die Stadt auf europäischer Ebene keinen besonders großen Einfluss ausgeübt oder eine hervorragende Rolle gespielt. Denn wenn Gutenberg hier in Straßburg an seiner Erfindung zwar gearbeitet hat, so wurde sie doch anderswo ausgefeilt und zu Ende gebracht. Und auch die ersten Bücher auf dieser Welt wurden anderswo gedruckt. So gehörte Straßburg zwar zu den ersten Städten mit Druckereien, doch ihre Buchproduktion hängt weit hinter derjenigen anderer europäischer bzw. rheinischer Städte wie z.B. Basel.
Techniken zur Vervielfältigung von Text und Bild waren bereits im Mittelalter, insbesondere in Fernost bekannt. Man benutzte geschnitzte Holztafeln zur Holzschneidekunst, genannt Xylographie. Gutenbergs Erfindung vollzieht sich nun auf drei Ebenen. Der Text zunächst in mobile Lettern zergliedert, die aus Blei gegossen und nach Bedarf zusammengelegt und wieder auseinandergenommen werden können. Die eigentliche Druckerpresse, d.h. die Maschine, vollführt dann den Druck. Schließlich bedarf es für diese Art von Arbeit und Unterlage auch noch einer sehr fetten Sondertinte.
Im Laufe der Jahrhunderte folgen dann eine ganze Reihe Erneuerungen auf verschiedenen spezifischen Ebenen: So wird mit der Perfektionierung der Linotype Ende des 19. J., wo ganze Textlinien je nach Bedarf eingefügt werden können, die Zeit für Zusammensetzung und Druck reduziert (s. das vom Espace Européen Gutenberg geliehene Exemplar). Mit dem Übergang vom Holzschnitt zum Kupferdruck (Stich, Radierung), später zur Lithographie (auf Kalkstein) werden Bilder eingefügt. Schließlich wird mit der Chromotopographie auch die Farbe hinzugefügt. Das Verfahren hatte der Straßburger Drucker Gustave Silbermann fertiggestellt, dessen sehr eklektische Produktion von billigen Kleinpostern bis zu teuren wertvollen Büchern reichte.
Je mehr Texte, desto mehr Bücher auch als Kunstobjekte. Die Nachfrage nach Einbänden nimmt also zu und somit auch die Zahl der Buchbinderwerkstätten. Aber die Verbreitung dieser Texte erzeugt vor allem einen völligen Umbruch in Kultur und Politik: Text ist Wissen und Wissen ist Macht. Den europäischen Fürsten wird dies sehr schnell bewusst, weshalb sie strikte Regeln einführen: Es dürfen allein diejenigen Texte drucken und verbreiten, die das Metier beherrschen. Damit soll der Konsument geschützt werden. Allerdings dürfen auch nur die Ideen in Umlauf gebracht werden, die genehm sind, was manchmal ganz einfach Zensur bedeutet. So erteilt der Präfekt des Bas-Rhin im initiierte Druckabenteuer Stadt Straßburg übte übrigens diese Kontrolle schon vor der Angliederung an Frankreich aus. Dies geht aus einer Anfrage zur Druckerlaubnis von Johann Carolus im Jahr 1605 hervor, der Nachrichten drucken wollte, die er von einem Korrespondentennetz in Europa und der gesamten Welt erhalten hatte.
Die Beziehungen zwischen Druckern und Machthabern ist auch oft unklar, was die Kehler Voltaire-Ausgabe beweist. Diese erste Ausgabe von Voltaires Gesamtwerk ist ein von Beaumarchais, dem Autor des Figaro, kurz nach dem Tod des Philosophen initiiertes Druckabenteuer. Es gehört zu den ersten Druckunternehmen, bei denen alle Produktionsschritte in einer Hand lagen: Beaumarchais hat die Schriftsetzer eingesetzt, die Maschinen sowie die Druckbuchstaben ausgesucht und alles in der verlassenen Festung Kehl untergebracht, wo er der Zensur des französischen Königs entgeht. Und dieser drückt ein Auge zu. Zugleich liegt der französische Markt auch noch direkt vor der Tür. Dennoch wäre das Geschäft ohne Subskriptionen, die paradoxerweise vom preußischen König Friedrich II. oder der russischen Tsarin Katharina die Große teilweise unterstützt wurden, finanziell nicht tragbar gewesen.
In den äußersten Fällen führt die Zensur gar zum Autodafé, zur öffentlichen als große Sühneaktion dargestellten Bücherverbrennung, wie sie gleich zu Beginn der Annexion des Elsass im Juni 1940 durch die national-sozialistischen Machthaber durchgeführt wurde.
Von den vielen berühmten Straßburger Drucken muss noch die Représentation des Fêtes données par la ville de Strasbourg pour la convalescence du Roi; à l‘arrivée et pendant le séjour de sa Majesté en cette ville erwähnt werden. Dieser wunderbare In-Folio-Band besteht aus 11 Stichen von Jean-Martin Weiß. Sie zeigen die Ankunft Ludwigs XV. in diese Stadt im Jahr 1744, vor allem die zahlreichen Festlichkeiten, Bankette, feierlichen Hochämter, Besuche usw., die aus diesem Anlass gegeben und gemacht wurden. Mit anderen Worten, wir haben hier eine zu Papier gebrachte Direktpropaganda vor Augen, auch wenn diese aus Kostengründen nur ein beschränktes Publikum erreicht hatte.
Gilles Le Berre
Übersetzung: Barbara Bullwinkel
Fotos: Roland Moeglin