Der Ölberg des Straßburger Münsters

Am 3. Oktober organisierte der Straßburger Münsterverein eine Besichtigung des Ölbergs, ein monumentales Skulpturenensemble, das im nördlichen Querhausarm der Kathedrale von Straßburg aufgestellt ist. Nikolaus Roederer, ein reicher und frommer Straßburger Kaufmann, der eine Zeit lang im Dienst der Familie Ingold stand, gab ihn 1498 in Auftrag. Die dem Bildhauer Veit Wagner zugeschriebenen Skulpturen zeugen von einer besonders naturnahen Darstellungsweise: So ist die Mimik des erwachenden Petrus sehr ausdrucksstark, ebenso die Hand des heiligen Jakobus, der sich das Auge reibt und dabei eine Haarlocke greift, aber auch die Gesichter der römischen Soldaten, die Judas mit einem Geldbeutel durch die Türpforte des Gartens Gethsemane begleiten. Aus ikonografischer Sicht sind die Erdbeerpflanzen zu Füßen des Johannes hervorzuheben, die laut mittelalterlichen botanischen Abhandlungen die Nahrung der Seligen sind, sowie die seltsame Ähnlichkeit zwischen Christus und dem heiligen Jakobus. Diese war der Grund weshalb Judas, laut Jakobus von Voragine und Ludolph von Sachsen, gezwungen war, Christus zu küssen, um ihn von seinem Doppelgänger, dem heiligen Jakobus, zu unterscheiden.

Dieser Ölberg, der eigentlich für den Friedhof von St. Thomas errichtet wurde, zog nach der Reformation mehrmals um, bevor er ins Münster gelangte, wo er wiederum mehrmals umzog und umgestaltet wurde. Die Grabplatte von Nikolaus Roeder, die zum Umfeld des Ölbergs zählte, wird noch immer in der Straßburger St.-Thomas-Kirche aufbewahrt. Sie stellt ein außergewöhnliches Zeugnis der Demut des Verstorbenen dar, der entkräftet und schmucklos auf einer einfachen Matte dargestellt ist. Die noch erhaltenen Ölberge in Offenburg und auf dem Friedhof von Obernai zeugen vom Einfluss des Straßburger Ölbergs in der Region.

Als Zusatz zur Besichtigung des Ölbergs und dank des Wohlwollens des Erzpriesters und seines Teams war es auch möglich, das Epitaph des Konrad von Busnangs in der Johanneskapelle zu bewundern, ein Werk des Bildhauers Niklaus von Leyden, dessen realistische Darstellungsweise alle nachfolgenden Bildhauer inspirierte.

Monique Fuchs
Bildung: Roland Moeglin.
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Übersetzung: Sabine Bengel

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