Louis-Napoléon Panel, Der Rohan-Palast

Louis-Napoléon Panel, Chefkonservator des Kunstgewerbemuseums, stellte in seinem Vortrag am 11. Dezember 2024 die Entstehungsgeschichte und die Bedeutung des Rohan-Palastes vor. Dieses heute städtische Gebäude ist eng mit der politischen Geschichte der Stadt Straßburg verwoben. Der Bischof war seit dem 10. Jahrhundert der Stadtherr, bis er am Ende des 13. Jahrhunderts diese Stellung verlor und somit seine Residenz nach außerhalb der Stadt verlegen musste, zunächst nach Molsheim, dann nach Zabern. Man weiß sehr wenig über seinen Straßburger Wohnsitz vor der Mitte des 16. Jahrhunderts. Doch es muss sich um einen recht bescheidenen Gebäudekomplex gehandelt haben, eine Art Hof mit umgebenden Wirtschaftsgebäuden, wie er auf dem Morand-Plan von 1548 zu sehen ist. Es ist bekannt, dass sich das Gebäude 1681 in sehr schlechtem Zustand befand. Der Reliefplan von 1725 zeigt noch eine im Vergleich zu den Nachbargebäuden niedrige und einfache Fassade, am Südrand des Platzes zur Ill hin (damals noch Breusch genannt).

Nach dem Tod des letzten, den traditionellen Ansprüchen des Domkapitels genügenden Bischofs (er musste 16 adelige Vorfahren im Stammbaum haben) ernannte Ludwig XIV. Armand-Gaston-Maximilien de Rohan-Soubise zum Fürstbischof von Straßburg. Dieser entstammte dem französischen Hochadel, war sehr wohlhabend, und möglicherweise ein unehelicher Sohn des Königs. Das Amt bot dem Inhaber reiche Einkünfte denn er war Landgraf des Niederelsass. Zugleich diente er dem König als Bindeglied zum Heiligen Römische Reich, denn als Reichsfürst nahm er an den Reichstagen teil und seine Diözese erstreckte sich auf beiden Seiten des Rheins. Er sollte wohl eine Art Botschafterrolle in einer Provinz spielen, die erst seit einem Vierteljahrhundert zum französischen Königreich gehörte. Allerdings verbrachte er nicht viel Zeit in der Stadt, zelebrierte hier nur die höchsten Kirchenfeste, denn als Kardinal (seit 1712) und ‚Grand Aumônier de France‘ (höchster Geistlicher in Frankreich seit 1716), zugleich Mitglied der Académie Française hatte er zahlreiche Verpflichtungen, besonders in Paris, und residierte deshalb in seinem zeitgleich erbauten Stadtpalais im Marais – dem Hôtel de Rohan-Strasbourg – gegenüber der Residenz seiner Eltern.

Gleich nach seiner Ernennung in Straßburg 1704, verstärkt dann von 1727 bis 1732, ließ er Häuser bzw. Parzellen in der Nachbarschaft des alten Bischofshofs ankaufen, mit dem Ziel ein neues, seines Standes und Amtes würdiges Palais errichten zu lassen. Der ‚erste Architekt des Königs‘ Robert de Cotte, Stararchitekt seiner Zeit mit Dutzenden von Mitarbeitern, entwarf die Pläne, kam aber nie persönlich nach Straßburg. Ausgeführt wurden sie von dem hier ansässigen Architekten Joseph Massol, dem verschiedene andere Prunkgebäude zu verdanken sind. Der Régence-Stil des ersten Drittels des 18. Jahrhunderts und der Gebäudetypus des Stadtpalais ‚zwischen Hof und Garten‘ (entre cour et jardin), von Robert de Cotte geprägt, wurden bis Ende des 19. Jahrhunderts oft und in ganz Europa variiert und kopiert. Als paradigmatisches Beispiel gilt der Elysée-Palast in Paris. Für den Bedarf des bedeutenden bischöflichen Verwaltungsapparats entstand in Straßburg die erweiterte Form der Bischofsresidenz, wie z.B. auch in Verdun ab 1725. Um den gesamten Platz im Süden des Münsters entstand mit den anderen zur gleichen Zeit errichteten großen Gebäuden mit kirchlicher Funktion eine Art bischöfliches Ensemble.

Der Rohan-Palast wurde auf einer leicht trapezförmigen, zum Wasser hin abfallenden Parzelle erbaut, mit einem Höhenunterschied von ca. fünf Metern. Der Architekt nutzt dieses Gefälle: der Zugang zur Beletage ist vom Hof aus bequem da ebenerdig. Zwischen der Hoffassade und der zur Ill-Terrasse hin gelegenen Hauptfassade weist das Gebäude eine „falsche Symmetrie“ auf: im Norden ist das Zentrum auf das Südportal, d.h. das bischöfliche Gerichtsportal, des Münsters hin ausgerichtet – ein für das Amt sehr bedeutender Bezug. Die Achse der Südfassade dagegen ist leicht in Richtung Westen verschoben, was der aufmerksame Betrachter nur an der Position der Fahnenstange erkennen kann. Stilistisch wirkt der Palast betont unangepasst: Die beiden Hauptfassaden sind erbaut aus beigefarbenem feinem, meist für Skulpturen verwendeten Sandstein und nicht aus ‚rotem‘ Bundsandstein. Nicht die traditionellen Biberschwanzziegel decken das ‚Mansardendach‘ ein, sondern Schieferplatten.

Robert de Cotte hatte einen erweiterbaren Grundriss vorgesehen, und so wird der Palast in mehreren Bauabschnitten errichtet. In der ursprünglichen Fassung fehlen Bibliothek und Kapelle im Westen, sowie der Pferdestall im Osten, mit den Köpfen der „Sonnenpferde“, wie am Rohan-Palast in Paris. Dieses Hauptgebäude der ‚französischen‘ Architektur in der Stadt hatte offenbar mehrere Funktionen. Selbstverständlich war es als repräsentative Residenz für den Fürstbischof und Kardinal Rohan gedacht, entsprach jedoch eher einer symbolischen Präsenz, denn das Schloss in Saverne war weitaus größer, bequemer und mit einem Park und Jagdrevier ausgestattet. Wenn der Bischof in Straßburg residierte, kann man mit der Präsenz von mehr als 80 Bediensteten ausgehen, die im Dachgeschoss untergebracht wurden und in den Kellerräumen ihren Arbeiten nachgingen. Der Palast diente aber auch – was wohl einzigartig ist – als Residenz für den König im Falle eines Besuchs. Ein solcher Besuch fand tatsächlich 1744 statt, knapp zwei Jahre nach der Fertigstellung.

Eingedenk der besonderen politischen Situation im Elsass kann der Palast auch als ein Manifest der französischen Kunst und Lebensart gelesen werden, mit hochwertigem Bauschmuck außen und innen, und einer Innenraumorganisation nach dem Versailler Modell, mit zwei Enfilades genannten axialen Raumfluchten, die prächtigere im Süden für den König, die zum Hof hin für den Bischof. Nicht zuletzt diente das Gebäude wohl auch dazu, die Prinzipien der Gegenreformation, anzuzeigen. Die vom Schlossplatz aus sichtbaren Skulpturengruppen stellen wichtige theologische Grundsätze des Katholizismus dar: Glaube und Wohltätigkeit für die beiden größeren Ensembles, sowie Eucharistie (Kommunion) und Vergebung (Beichte) für die kleineren Gruppen. Der Kelch der Eucharistie wurde in der Revolutionszeit jedoch zur Fackel der Aufklärung umgearbeitet. Zu dieser Zeit, 1792, war allerdings der letzte der vier Rohan-Fürstbischöfe schon nach Ettenheim in den rechtsrheinischen Teil seines Bistums geflohen. Damit endet die Zeit des Rohan-Palastes als Residenz, und ihm kommen nacheinander verschiedene neue Funktionen zu.

Sabine Mohr
Abb.: Zeichnung für die Fassade des Bischofspalasts, Fotorechte: Eurométropole de Strasbourg, Kupferstichkabinett

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